Blog von lhs

Es haben sich schon viele Beiträge mit dem Thema „Medien und Klimakrise“ beschäftigt. Dennoch möchte auch ich nach über dreieinhalb Jahren Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere in der Pressearbeit diverser Initiativen und Bündnisse, einige Gedanken beisteuern.

Entkontextualisierung ist schlimmer als nur eine politische Färbung

Es gibt eine besondere Herausforderung in der Berichterstattung zu den ökologischen Krisen und  objektiv notwendigen Maßnahmen: Die Zusammenhänge sind komplex. Deswegen bewegen Texte sich immer in dem Spannungsfeld, einerseits mit einfachen, eingängigen Darstellungen möglichst viele Menschen zu erreichen, andererseits aber auch dem Thema fachlich gerecht werden zu wollen.

Natürlich ist es nicht möglich, in jedem Text immer alle Aspekte eines Themas zu beleuchten. Themen müssen heruntergebrochen und in verdauliche Stücke zerteilt werden. Die öffentliche Diskussion ergibt sich dann aus einer Vielzahl an Beiträgen, mit der sich die Menschen – hoffentlich – der Komplexität annähern können. Gegen all das ist ja gar nichts zu sagen.

Herunterbrechen darf nicht zur Entkontextualisierung führen

Eine bestimmte Art von herunter gebrochenen Beiträgen ist dabei allerdings besonders problematisch. Und zwar dann, wenn Fragments-Beiträge in den Themen Klima oder Biodiversität ihren Ursprung haben, die Themen an sich im Text aber überhaupt nicht mehr vorkommen. Und davon erlebt man gerade eine enorme Flut, sei es beim Thema Heizungen, Energiesparen, Pestizideinsatz und vielem mehr.

In der Politik ist zu erwarten, dass Themen für eine bestimmte Agenda verkürzt dargestellt werden oder nur ein Aspekt in den Vordergrund gerückt wird. Dagegen lässt sich schlecht etwas tun. Aber an Journalismus lassen sich klar andere Erwartungen stellen. Wer beispielsweise über das geplante Einbauverbot von Gas- und Ölheizungen schreibt, ohne zu erwähnen, dass dies im Schutz des Klimas seinen Ursprung hat, reißt es aus dem Kontext.

Ein Satz reicht, um den Kontext herzustellen

Dabei geht es nicht darum, immer wieder in aller Breite den Urschleim der Klima- oder Biodiversitätskrise auszurollen. Es reicht schon ein einziger Satz, ein Nebensatz oder Einschub aus, um den Kontext herzustellen. Und es gibt auch genug wissenschaftliche Daten oder Fakten, um diesem einen Satz in irgendeiner Form Neuigkeits- oder Unterhaltungswert hinzuzufügen.

Und ergänzend dazu: Klimakrise oder Biodiversitätskrise sind keine politischen Richtungen. Sie sind wissenschaftlicher Konsens und betreffen die ganze Menschheit. Sie zu erwähnen oder über sie zu berichten, ist nicht automatisch im Sinne einer politischen Agenda. Und es ist auch keine politische Agenda, in einem Artikel – wertungsfrei – etwas über den Ursprung, den Zweck oder das Ziel einer Maßnahme oder eines Gesetzesentwurfs zu berichten.
Diesen tief (und gezielt) verankerten Vorwurf endlich auszulöschen, ist ein dickes mediales Brett, das noch zu Ende gebohrt werden muss! 

Entkontextualisierung ist schlimmer als nur eine politische Färbung

Die Gefahr, die davon ausgeht, wenn über ökologisch basierte Maßnahmen ohne den ökologischen Kontext gesprochen wird, ist, dass die Menschen politisch verunsichert werden. Dabei geht es um mehr, als dass dies „nur“ im Kampf der politischen Richtungen eingesetzt wird. (Wo man zumindest in einer idealen Welt keine Beteiligung von Journalist*innen erwarten dürfen sollte!) Es geht darum, dass damit – unbewusst oder absichtlich – das Vertrauen der Menschen in die Politik oder das politische System generell verspielt wird: Klimaschutzmaßnahmen ohne die Klimakrise als Thema ergeben natürlich keinerlei Sinn!

Dass Themen nicht komplett entkontextualisiert werden dürfen, muss eigentlich die Mindestforderung an die Medien sein!

Fazit und Appell

Journalist*innen müssen frei in dem bleiben, was sie schreiben. Natürlich muss in Berichten zu Klimaschutzmaßnahmen oder -aktionen auch über Herausforderungen, Ängste, Bedenken und Ablehnung gesprochen werden. Über die Herausforderungen hingegen ohne jeglichen Kontext zu berichten, ist problematisch und, wenn es mit Absicht geschieht, unverantwortlich.

Wir befinden uns jetzt in einer kritischen Phase, in der die Gesellschaft über zwingend notwendige ökologische Maßnahmen in komplexen Zusammenhängen verhandeln muss. Demokratie geht nur mit Menschen, die politische Prozesse verstehen können. Jeder Text kann entweder Gelegenheit sein, dies zu verhindern – oder Chance, Verständnis zu fördern.

Mit klimafreundlichen Grüßen
lhs

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