Vor über 200 Gästen fand am Montag Nachmittag in einem Hörsaal der TU-Dresden eine Podiumsdiskussion der Psychologists For Future Dresden mit Unterstützung der TU Dresden statt. Auf dem Podium saßen der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, Lea Dohm von den Psychologists For Future, Prof. Dr. Georg Teutsch, ehemaliger wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung GmbH (UFZ) und Prof. Dr. Sebastian Seiffert, Mitglied der Scientists For Future.
Im Mittelpunkt sollte dabei die Frage stehen, wie aus politischer, wissenschaftlicher und psychologischer Sicht über die Klimakrise kommuniziert werden sollte, um die notwendigen Veränderungen in dieser Welt im demokratischen System umsetzen zu können. Ein nicht einfaches Unterfangen, wie sich in der Diskussion heraus stellte. Zum einen zeigte sich – trotz einer Absprache, über Klimakommunikation zu sprechen – immer wieder großer Redebedarf über Inhalte des Klimaschutzes. Zum anderen zeigte sich, dass unterschiedliche inhaltliche Ansichten natürlich auch die Kommunikationsstrategien bestimmten.
Michael Kretschmer verstehen
Gerade von Seiten Kretschmers zeigte sich großer Redebedarf über Klimaschutz mit Vertreter*innen der Klimabewegung. Er schilderte mehrfach seine Ausgangssituation, dass ihn ganz besonders der Einzug der AFD in den Bundestag 2017 bewegt habe. Er habe damals in vielen Gesprächen Unzufriedenheit und Gefühle des Abgehängtseins erlebt, gerade im ländlichen Raum. Hierbei sei ihm klar geworden, dass man die Leute nicht erreiche, wenn man sich wie eine Avantgarde verhalte, die es für sich beanspruche, „es verstanden zu haben“, zu wissen, wo es langgehe und das gegen den Willen anderer umsetze. Dies müsse er anders machen, habe er beschlossen, nämlich den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.
Redebedarf zum Klimaschutz
Bei den Gesprächen sei Kretschmer auch sehr viel Widerstand gegenüber erneuerbaren Energien begegnet, insbesondere gegenüber der Windkraft – ganz im Gegensatz zu anderen Kraftwerken und deren Auswirkungen. Hier sehe er vor allem Beteiligung als Schlüssel, sowohl rein finanziell, als auch über Bürgerwindparks und Energiegenossenschaften. Trotz seines Zuspruchs für erneuerbare Energien und seiner Freude darüber, ähnlichen Zuspruch aktuell in besonderem Maße bei Unternehmen zu erleben, stellte er vor allem die Frage: Wenn jetzt Gas als Brückentechnologie im Übergang zu den Erneuerbaren und zu Wasserstoff nicht zu Verfügung steht, was soll dann die Brückentechnologie sein?
Laut Kretschmer brauche es für Klimaschutz vor allem einen kontinuierlich ansteigenden, verlässlichen CO2-Preis, der den Wettbewerb anrege und die Möglichkeit der Anpassung durch Effizienz und Innovation erlaube. Hier brauche es Vertrauen, was dieses Land stark gemacht habe, Innovation, Wettbewerb, Technologieoffenheit und marktwirtschaftliche Prinzipien. Professor Teutsch ergänzte, dass es den CO2-Preis vor allem global brauche, um das Pariser Klimaabkommen voranzutreiben. Da dies aber noch dauern würde, brauche es schnell einen Grenzausgleich bzw. Zölle.
Beide sind der Meinung, dass es vor allem positive Kommunikation braucht, über Chancen, Möglichkeiten und individuelle Vorteile. Laut Kretschmer ist Problembewusstsein bei den meisten Menschen bereits vorhanden, laut Professor Teutsch mangelt es nicht an Kommunkation oder Kanälen, sondern an der Umsetzung von Klimaschutz.
Psychologists und Scientists halten dagegen
Lea Dohm hält dagegen, dass das Problembewusstsein für die Klimakrise bei vielen Menschen zwar da sei, aber ganz unterschiedlich ausgeprägt. Manche würden noch sehr rational denken, während andere es auch schon emotional begriffen hätten. Auch in Hinsicht auf die inidividuelle sowie auch die regionale Betroffenheit, also in den Fragen „Was hat das Thema mit mir zu tun?“ und „Was sind die lokalen Auswirkungen und Risiken?“, gäbe es noch große Unterschiede.
Auch werde das eigene Wissen über die Klimakrise häufig überschätzt. Gleichzeitig muss aber die riesige anstehende Transformation auf Einsicht basieren und von dieser geleitet werden. Deswegen sei es so wichtig, immer wieder über das Thema zu sprechen, vor allem auch, um emotionale Bezüge zu erzeugen und Schweigespiralen zu durchbrechen. Letzteres helfe auch dabei, sich mit dem Thema nicht mehr so alleine zu fühlen.
Auch Professor Seiffert sagte, dass es falsch sei, anzunehmen, jeder hätte jetzt das Thema Klimakrise verstanden. Zu viele würden immer noch Klimaschutz mit Emissionsreduktionen gleichstellen, nicht aber mit dem, was nötig sei, nämlich Null-Emissionen. Jedes CO2-Molekül heize den Treibhausgaseffekt weiter an. Auch ergebe sich aus dem Pariser Abkommen etwas ganz konkretes, nämlich das restliche CO2-Budget Deutschlands. Dieses entspreche ungefähr der Reduktion, die es während des ersten Corona-Lockdowns gegeben habe. Hier sei Ehrlichkeit gefordert. Und gerade beim Thema Innovationen sei es wichtig, klar zu stellen, dass diese schon allein aus zeitlichen Gründen nicht mehr für die Bewältigung der Klimakrise ausreichen.
Was Psychologists und Scientists von der Politik fordern
Laut Lea Dohm müssten zwar die Chancen und Möglichkeiten als „Gewinner-Themen“ kommuniziert werden, die Verantwortung verlange es aber auch, mit den Menschen Tacheles zu reden, was los sei. Dazu gehöre es auch, über Kipppunkte zu informieren. „Wir arbeiten mit der Wahrheit, nämlich mit dem was die Wissenschaft uns bietet. Wenn daraufhin Angst entsteht, dann können wir uns überlegen, wie wir damit klug und konstruktiv umgehen“, so Dohm. Dafür böte die Psychologie auch Strategien. Generell solle man negative Bilder nicht vermeiden – zumal unterschiedliche Menschen sich von unterschiedlichen Reizen motivieren ließen. Gerade bei der Ansprache größerer Gruppen sei es wichtig, beides zu verwenden.
Auch sei es wichtig, Chancen und Möglichkeiten für Zielgruppen differenziert aufzuzeigen. Nicht jeder empfände Windräder als persönlich greifbare Lösungstrategie, die es brauche, um mit Ängsten umgehen zu können. Generell solle Politik Verständnis haben, dass man mit einem zu sehr technischen Diskurs nicht jeden erreiche.
Weiter wurde von Psychologists und Scientists Ehrlichkeit eingefordert. Es würde helfen, wenn die Menschen spüren könnten, dass es politische Führungskräfte gibt, denen es wirklich um die notwendige große Transformation geht. Und zwar so sehr, dass sie auch bereit sind, eigene Fehler einzugestehen. Das würde vor allem auch zur Glaubwürdigkeit beitragen.
Keine Verantwortungsdiffusion und Verzögerungstaktiken
Dohm betonte, dass manche Argumente, wie beispielsweise die Forderung nach einem weltweiten CO2-Preis, um Abwanderung von Industrie verhindern, die dann woanders noch weniger nachhaltig produziere, zwar inhaltlich richtig seien, aber auch große Missbrauchsgefahren bergen würden. Diese seien sogar in Studien belegt. Dazu gehöre auch das „Trittbrettfahrer-Argument“, dass man nicht handeln könne, weil es dann andere gäbe, die dies ausnutzen würden. Auch das „China-Argument“ – also, dass dort nach wie vor weiter Kohlekraftwerke ans Netz gehen würden, und die eigenen Anstrengungen somit sinnlos seien – sei gefährlich und verkürzend, denn es verschweige, dass dort gleichzeitig große Innovationen stattfinden.
Solche Argumente dürften auf keinen Fall dazu benutzt werden, um eigene Verantwortung wegzuschieben oder davon abhalten, mit aller Kraft voraus zu gehen. Dazu erinnerte Professor Seiffert auch an das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Dieses sagt aus, dass die Nichterfüllung der Reduktionspflichten anderer Länder Deutschland nicht von eigenen Pflichten entbindet.
Annährung ans Thema
Die Diskussion lieferte bestimmt nicht das Ergebnis, sich gegenseitig vollständig überzeugt zu haben – aber erste Annährungen. Vielmehr hingegen zeigte sie unterschiedliche Positionen auf und weitere Gesprächsbedarfe. Kretschmer konnte darlegen, was ihn in seiner Kommunikation bewegt und welche Zielgruppen er wie ansprechen möchte. Er äußerte vor allem auch Bedenken, dass man gewisse Zielgruppen nicht überfordern dürfe, um nicht wieder vor der Situation wie 2017 zu stehen.
Aber auch die Vertreter*innen der Klimabewegung konnten deutlich machen, welche Kommunikation sie einfordern: eine Kommunikation, die klar macht, dass die Klimakrise und die Menschen, die Angst vor ihr haben, ernst genommen werden. Die Bewusstsein sowie Handeln in der Klimakrise fördert.
Alle Gäste bzw. Parteien – inklusive der TU Dresden – bekundeten ihr Interesse an weiteren Gesprächen.
Von der Hompage der Psychologists For Future Dresden ist hier ein ausführlicher Bericht der Diskussion zu finden.
Bericht von lhs