Von Mittag bis zum frühen Abend fand am Freitag auch in Dresden der 11. globale Klimastreik statt. Es beteiligten sich rund 4000 Menschen laut Fridays For Future Dresden. Mit dabei waren Zahra Pischnamazzadeh und Simon Hoba. Hoba engagiert sich seit eineinhalb Jahren bei Fridays For Future Dresden, Pischnamazzadeh seit etwa drei Monaten. Im Interview erläutern sie unter anderem die Forderungen von Fridays For Future (Dresden) zum Klimastreik, was sie persönlich 2022 bewegt hat, ob es sich 2022 anders streikt als früher – und ob Fridays For Future wollen, dass Menschen im Winter frieren.

Unter dem Interview sind Impressionen des Klimastreiks in Dresden zu finden.

Was fordern Fridays For Future (Dresden)?

„Unsere zentrale Forderung ist, dass Geld bereit gestellt wird. Wir fordern 100 Milliarden Euro von der Bundesregierung. Genauso, wie sie 100 Milliarden Euro hatte für die Rüstungsindustrie und gegen den Krieg, wollen wir, dass sie genauso reagiert, wenn es um das Klima geht“, erläutert Hoba.

Die Engagierten von Fridays For Future Dresden sehen, dass das Klima bisher häufig hinten angestellt wurde. Deswegen ist es ihnen jetzt besonders wichtig, dass die geforderten 100 Milliarden Euro in den Klimaschutz investiert werden. Einerseits in den Ausbau der erneuerbaren Energien, bei dem es ihnen viel zu langsam vorangeht, zum anderen fordern sie auch den Ausbau des ÖPNV, sowie, diesen bezahlbar zu halten. „Wir wollen mindestens die Fortführung des 9-Euro-Tickets, lieber aber das 0-Euro-Ticket, weil der ÖPNV etwas ist, das alle sozial sinnvoll benutzen können in ganz Deutschland“, so Hoba.

Eine weitere zentrale Forderung ist, dass die Bundesregierung ihrer Verantwortung nachkommt, um Reparationszahlungen für den globalen Süden leisten, damit sich dieser gegen die – zum größten Teil durch den globalen Norden verursachten – Folgen der Klimakrise stemmen kann.

Was bewegt die Klimaaktivist*innen von Fridays For Future Dresden in 2022?

„Mich bewegt in 2022 vor allem der Zusammenhang zwischen fossilen Energien, der Klimakrise und Kriegen“, erzählt Pischnamazzadeh. Auch bewege sie die Tatsache, dass sich so viele Menschen derzeit vor den hohen Nebenkostenabrechnungen fürchten müssten, als Konsequenz einer Politik, die es in den letzten Jahren versäumt habe, Deutschland unabhängig von teuren fossilen Energien zu machen.

Hoba hingegen sprach über einen Schock angesichts des Ausmaßes der Schäden, welche die Klimakrise 2022, aber auch schon 2021 unter anderem im Ahrtal, angerichtet habe. „Wir haben dieses Jahr nochmal weltweit eine wesentlich schlechtere Situation. Wir sehen jetzt gerade in Pakistan, dass 30 Millionen Menschen – das wäre über ein Drittel der deutschen Bevölkerung – mal gerade eben ihr Zuhause verloren haben.“

Streikt es sich in 2022 anders fürs Klima als früher?

„Viele haben auf die Ereignisse, die seit diesem Jahr passiert sind mit Erschrecken und auch Erschöpfung regiert“, sagt Hoba. Trotzden weißt er darauf hin, dass es bereits vor 2022 multiple Krisen gegeben habe, das Klima und soziale Gerechtigkeit betreffend. Das Jahr 2022 aber habe mit dem Krieg noch eins draufgesetzt. „Aber das zeigt eigentlich gerade, dass wir jetzt mehr als je zuvor auf die Straße gehen müssen, in viel größerer Masse mit der ganzen Breite der Gesellschaft. Damit sich endlich ein wirklicher Wandel hin zu Klimagerechtigkeit vollzieht.“

Man müsse endlich aus der Krisenspirale rauskommen ergänzt Pischnamazadeh, und dazu müsse man endlich anfangen, in die erneuerbaren Energien zu investieren und Deutschland unabhängig von teuren fossilen Energien sowie Autokraten machen.

Was sich auch extrem verändert habe, betont Pischnamazzadeh, sei, dass die Auswirkungen der Klimakrise inzwischen auch in Europa nicht mehr zu übersehen seien, mit den Bränden in der Sächsischen Schweiz und in Brandenburg, aber auch mit Dürren und Hitze in Frankreich, Spanien, und Großbritannien. „Dabei ist es wichtig, sich klar zu machen, dass die Menschen im globalen Süden und die dort von der Krise betroffenen Regionen die Klimakrise schon viel länger nicht mehr übersehen können als wir“, fordert sie ein.

Ähnlich hingegen sei geblieben seit 2019, fügte Hoba hinzu, „dass wir sehen, wie tausende Menschen auf die Straßen strömen und eine breite Mehrheit für Klimaschutz ist – und die Regierung trotzdem nicht angemessen reagiert. Wir sind weit entfernt, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten.“ Und die Regierung, so Hoba weiter, ob im Land oder im Bund, traue sich nicht, habe keine Lust oder nur Ausreden parat.

Sind denn Streiks noch ausreichend?

Es sei nach wie vor wichtig, zu zeigen, dass Fridays For Future mit tausenden Menschen auf die Straßen geht, „weil Klimagerechtigkeit nur sozial und gemeinsam geht“, so Hoba. „Trotzdem gibt es Menschen, denen es mit der Situation schon so schlecht geht, dass sie sich radikaleren Maßnahmen hingeben. Das ist nicht mein Weg, Klimaschutz einzufordern. Aber ich kann verstehen, dass wir inzwischen in so einer dramatischen Lage sind, dass sich einzelne Leute anders entscheiden als ich. Das war 2019 vielleicht auch noch anders.“

Engagieren sich die Aktivist*innen von Fridays For Future Dresden auch neben den Demos für das Klima?

Hoba erzählt, er persönlich diskutiere gerne mit vielen Menschen, sei es in der Schule, in der Familie oder bei den vielen Gesprächen, die Fridays For Future mit den Menschen, Organisationen oder Vereinen habe. Pischnamazzadeh ergänzt, dass bei Fridays For Future generell noch weit mehr passiere, als die reinen Demonstrationen – in den sozialen Medien, bei Kampagnen, in Gesprächen mit Politiker*innen, sowohl auf nationaler Ebene, als auch auf EU-Ebene.

Wollen Fridays For Future, dass die Menschen im Winter frieren?

„Nein, das wollen wir defintiv nicht“, widerspricht Hoba vehement. Letztendlich seien die hohen Energiekosten eine Konsequenz des Versagens der Politik der letzten Jahre, inbesondere der fossilen Abhängigkeit. „Wir wollen natürlich, dass die Menschen heizen können. Und wir wissen auch, dass gerade Menschen mit niedrigen Einkommen häufig in Mietwohnungen wohnen und sich nicht aussuchen können, woher sie ihre Energie beziehen. Das ist dann häufig Gas.“

Die Menschen, die am stärksten auch unter der Energiekrise leiden, müssten natürlich auch gezielt entlastet werden. Hoba kritisiert scharf, dass die Politik in Deutschland gerade die junge Generation, aber auch die Menschen generell, im Stich lasse, wenn es wichtiger sein, Deals mit Putin einzugehen, anstatt eine sichere Energieversorgung bereits zu stellen. Man hätte bereits in den letzten 15 Jahren die erneuerbaren Energien ausbauen und die fossile Infrastruktur zurückbauen müssen. „Ich glaube, daraus sollten die Menschen jetzt, falls es sie trifft, besonders ihre Schlüsse ziehen, was die Zukunft angeht“, so Hoba.

Pischnamazzadeh ergänzt: „Und mir ist es auch noch besonders wichtig, zu betonen, dass wir eben nicht nur kurzfristige Entlastung brauchen, sondern Entlastungspakete, die langfristig funktionieren und nachhaltig helfen. Damit wir nicht nächsten Winter wieder in der gleichen Situation sind und sich die Menschen wieder vor der nächsten Nebenkostenabrechnung fürchten müssen.“

Text und Interview: Louise Hummel-Schröter

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