Von lhs

Am Samstag rief Christian Lindner zum Tag des Handwerks in Dresden junge Klimaschützer*innen zu einer Ausbildung im Handwerk auf. Er tat dies mit den Worten: „Man kann nicht nur für Klimaschutz demonstrieren, man muss auch Klimaschutz montieren und installieren.“ Quelle Auch im MDR äußerte kürzlich Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Leipzig Volker Lux: „Vielleicht liegt es auch daran, dass protestieren manchmal leichter ist als installieren.“ Zeit, ein paar Dinge klarzustellen.

Was Klimaschützer*innen tun

Wenn die Worte „Klimaschützer*innen“, „nur“, „protestieren“ und „einfach“ im Zusammenhang genannt werden, ist es an der Zeit, auf diese Spitze Richtung Klimabewegung zu reagieren und zu beleuchten, was junge Klimaschützer*innen wirklich leisten.

Zuerst einmal nehmen sich Klimaschützer*innen die Zeit, sich den – durchaus sehr belastenden – Informationen über die Klimakrise sowie den komplexen zugrundliegenden Zusammenhängen zu stellen und sich politisch zu informieren. Keine Selbstverständlichkeit. Dann, klar, gibt es diejenigen, die sich „nur“ kurz vor einer Demo ein Schild basteln und ein paar Stunden mitlaufen. Für einen nicht unerheblichen Teil der Klimaschützer*innen ist es aber weit mehr. Für eine Demo braucht es eine inhaltliche Ausarbeitung von Forderungen, zum Teil viele Organisationstreffen, Anmeldung, Streckenplanung, Sicherheitskonzept, die Planung des Programms mit Reden und Musik, Website, Pressearbeit, Vernetzung, die Organisation der Technik und vieles mehr.

Und viele Klimaschützer*innen machen nicht nur Demos. Sie machen auch Petitionen, Diskussions- sowie Aufklärungsveranstaltungen und sind häufig auch in anderen Nachhaltigkeitsprojekten involviert. Viele übernehmen auch ehrenamtliche Ämter in Verbänden oder anderen politischen Jugendorganisationen.

Wichtig ist es dabei auch, sich den Horizont ihres Wirkens klar zu machen: Es geht darum, sich in politische Entscheidungen einzubringen, von der kommunalen Ebene bis über die EU-Ebene hinaus. Mit Auswirkungen, die regional oder gar global sein können – und weit in die Zukunft reichen. Das ist eine ernorm wichtige – und doch ganz andere – Ebene, als die Installation einzelner Solaranlagen oder Wärmepumpen.

Politisches Engagement und Klimaschutz-Handwerk dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dazu ist beides zu wichtig. Es braucht nicht weniger politisches Engagement bei jungen Menschen, sondern generell noch viel mehr! Ziel kann es doch nicht sein, junge Klimaschützer*innen von ihrem politischen Engagement ins Handwerk zu bringen, wie hier indirekt gefordert. Der wirklich nachhaltig gedachte Ansatz muss doch sein, noch viel mehr andere junge Menschen sowohl für den Klimaschutz, als auch fürs Handwerk zu gewinnen.

Nicht jede*r Klimaschützer*in hat einen Faible für Technik

Auch ist es wichtig, hier einem Missverständnis vorzubeugen. Wer sich für Klimaschutz engagiert, die*der kommt früher oder später nicht darum herum, Technik einzufordern: Solaranlagen, Windräder, Wärmepumpen. Das heißt aber nicht, dass man automatisch eine technische Neigung oder ein technisches Interesse mitbringt. Und das ist auch völlig legitim. Jede*r hat ein Recht, Klimaschutz zu fordern. Damit hat auch jede*r ein Recht, die Energiewende zu fordern, egal, ob sie*er im Detail etwas von technischen Anlagen versteht oder nicht.

In der Klimabewegung sind, trotz entsprechender Forderungen, am Ende nicht mehr (oder weniger) technisch interessierte junge Menschen aktiv, als in anderen Kontexten. Unter anderem deshalb haben sich z. B. auch die Scientists For Future zur Unterstützung gegründet. Die jungen Klimaschützer*innen haben diverse Interessen und Talente, technische, soziale, künstlerische etc. . Und nein, junge Klimaschützer*innen haben keine Bringschuld, weil sie politisch Klimaschutz einfordern, Berufe zu ergreifen, die ihnen gegebenenfalls nicht liegen. Wie bei allen anderen jungen Menschen auch, sollte eine nachhaltige Berufswahl zu aller erst an Neigungen, konkreten Interessen und Talenten orientiert sein.

Die Klimabewegung nicht für den Fachkräftemangel im Handwerk verantwortlich machen

Natürlich ist es richtig, jetzt mit Nachdruck nach jungen Menschen zu suchen, um den großen Fachkräftemangel gerade im klimarelevanten Handwerk zu decken! Und sicher ist es auch absolut richtig, auch klimabewusste junge Menschen anzusprechen, zu informieren und sich darum zu bemühen, ihr Interesse für die entsprechenden Berufe zu wecken. Falsch ist es aber, den Eindruck zu erwecken, man könne jetzt mit Appellen an klimabewusste junge Menschen den Fachkräfte-Mangel im Handwerk beheben. Falsch ist es, den Eindruck entstehen zu lassen, aus ihren politischen Forderungen würde sich eine Art Verpflichtung ergeben, jetzt die am drigendsten benötigten Berufe zu ergreifen. Ùbrigens gefährdet die Klimakrise auch die Zukunft aller jungen Menschen. Und erst recht falsch wäre es – bereits jetzt im Vorhinein gesagt – wenn man merken sollte, das dies nicht funktioniert, dann die Klimaschützer*innen dafür zu diskreditieren!

Es wäre schon sehr zynisch von Politik und Gesellschaft, erst den jungen Menschen einen kaputten Planeten zu überlassen, und dann von den jungen Menschen obendrein zu fordern, dass sie inhaltlich, vom Abschluss und den Arbeitsbedingungen her nicht gewünschte Berufe ergreifen sollen.

Nein, nicht junge Klimaschützer*innen, sondern Politik und Wirtschaft sind jetzt in der Bringschuld. Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen müssen attraktiv gestaltet werden. Chancen müssen kommuniziert werden, und zwar nicht nur an Klimaschützer*innen, sondern an alle jungen Menschen. Es muss ehrlich analysiert werden, warum die entsprechenden Handwerksberufe entweder nicht attraktiv sind oder nicht als attraktiv wahrgenommen werden.

Die meisten jungen Klimaschützer*innen haben ein Interesse daran, sich auch im beruflichen Kontext für den Klimaschutz einzubringen. Ob sie das aber nun über Studium oder Ausbildung, im Handwerk, als zukünftige Politiker*innen, Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Mediziner*innen, in sozialen oder künstlerischen Berufen machen – in dieser Entscheidung sind sie niemandem etwas schuldig. Und das sollte mindestens jede*r verstehen, die*der selber seinen (nicht handwerklichen) Beruf mit Leidenschaft macht.

Mit klimafreundlichen Grüßen

lhs

Nachtrag der Autorin: Ich selber habe einen handwerklich-kaufmännischen Beruf erlernt, den ich nicht mehr ausübe. Ich möchte unter anderem deshalb nicht mehr in diesen Beruf zurückkehren, weil er sich (u. a. von den zeitlichen Kapazitäten) nur schwer mit politischem Engagement verbinden lässt. Dies vereinbar zu machen, wäre doch schon mal ein Schritt, Handwerksberufe attraktiver zu gestalten.

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