Von lhs

Im Rahmen eines Gewinnspiels des VDV (Verband deutscher Verkehrsunternehmen) kam ich in den Genuss, mit meinem Kind (fast 4 Jahre) einmal von Dresden nach Garmisch-Patenkirchen (knapp 600 Kilometer) und wieder zurück reisen zu dürfen. Das Gewinnspiel fand passenderweise im Rahmen einer Klima-Kampagne unter dem Motto „Dein guter Grund“ (dafür, weiter in Bus und Bahn einzusteigen) statt.

(Siehe auch Blogbeitrag: Offener Brief an den VDV)

Highlight des Treffens sollte eigentlich ein Meet and Greet mit Felix Neureuther, ehemaliger Skirennläufer und Botschafter der Klima-Kampagne, sein. Im Gedächtnis bleiben werden aber eher die Reiselebnisse. Hier ein Abriss sowie Erkenntnisse aus den Erfahrungen: Für Zugausfälle und Streckensperrungen gibt es Entschuldigungen – für mangelnde Kommunikation nicht.

Zum Hintergrund: die Fahrten wurden durch die Organisator*innen des Gewinnspiels und der Reise gebucht und bezahlt (333,30 Euro, Flexpreis).

„Setzen Sie sich hin, egal wo“

An einem Freitag ging es in Dresden los. Die erste Strecke von Dresden nach Erfurt verlief planmäßig. Auf der Strecke von Erfurt nach München quetschte ich mich nach dem Einstieg zunächst mit Kind und Koffern durch die überfüllten Gänge und verscheuchte dann ein Pärchen von den reservierten Sitzen, wobei ich mich schon wunderte, dass diese hintereinander und nicht nebeneinander lagen. Schließlich klärte eine Zugbegleiterin in der Nähe auf: „Wir haben einen Ersatzzug mit über hundert Sitzplätzen weniger bekommen. Alle Reservierung entfallen.“ Sogar die erste Klasse und das Bordrestaurant seien restlos besetzt, beantwortete sie die Nachfragen einiger frustrierter Fahrgäste. „Schauen Sie einfach, wo an der nächsten Haltestelle jemand auftsteht und setzten Sie sich hin, egal wo“, lautete ihr hilfloser Rat.

„Beschweren Sie sich bitte beim Verkehrsminister“

Am nächsten Tag – die ganze Strecke auf einmal wäre für mein Kind etwas viel gewesen – stiegen wir dann in München in den Zug nach Murnau, ab dort sollte es Schienenersatzverkehr bis Garmisch-Patenkirchen geben. Kaum eingestiegen, kam die Durchsage, dass es zwischen Huglfing und Murnau zusätzlich eine kurzfristige Streckensperrung gäbe und ein Ersatzverkehr gerade eingerichtet werde. „Beschweren Sie sich bitte nicht bei mir, ich kann nichts dafür. Beschwerden Sie sich bitte beim Eigentümer, dem Bundesverkehrsminister“, ließ die Ansage in die offensichtliche Belastung des Zugpersonals einblicken.

Irgendwann auf einem Halt auf der Strecke erklang auch noch die Durchsage, dass der Zug jetzt geteilt werde. Dies rief bei einigen Fahrgästen Verwirrung hervor, da viele nicht wussten, ob sie sich im richtigen Zugteil befanden, was aber durch einen einzelnen wissenden Fahrgast im Abteil geklärt werden konnte. Bereits nach einer halben Minute setzte sich unser Zugteil wieder in Bewegung. Also falls jemand umsteigen musste, kann man nur hoffen, dass sie oder er schnell war.

„Sie sehen doch, wie voll der Bus ist“

In Huglfing dann standen zwei Ersatzbusse bereit, Fahrer und Personal standen offensichtlich unter großem Stress. Noch bevor sich die einsteigenden Gäste setzen konnten, brausten die Busse bereits los. Beide Busse waren randvoll, ein Radfahrer wurde wurde ratlos am Bahnhof zurück gelassen: „Sie sehen doch, wie voll der Bus ist“, so der Kommentar des nun Bus-Begleiters.

In Murnau dann Verwirrung unter Fahrgästen, ob man in diesem Bus bleiben könnte oder nach Garmisch-Partenkirchen in einen anderen umsteigen müsste. Nachdem die ersten Fahrgäste aufgesprungen waren und versuchten, untereinander Rat zu finden, dann Entwarnung: Weiterfahrt im selben Fahrzeug nach Garmisch-Partenkirchen. Gott sei Dank, mein Kind war gerade eingeschlafen. Ankunft in Garmisch-Partenkirchen dann wieder – oh Wunder – nach Zeitplan.

Nichts für schwache Blasen

Am nächsten Tag kamen die Großeltern von München nach Garmisch-Partenkirchen zu Besuch. Auf ihrer Rückfahrt stand der völlig überfüllte Schienenersatzverkehr – einige Menschen mussten auf dem Boden sitzen – über eine Stunde im Stau. Erst nach heftiger, aggressiver Diskussion mit der Fahrerin war es für die beiden (über 70) möglich, bei einem Stopp auf der Strecke kurz auszusteigen und sich zu erleichtern. Vor der eigenen Rückfahrt am nächsten Tag von Garmisch-Partenkirchen nach München musste ich dann etwas hektisch eine Toilette am Bahnhof suchen, um mit meinem Kind nicht in die gleiche Situation zu geraten. Und gut wars, auch wir sollten mit dem Bus über 30 Minuten im Stau stehen.

Doch bevor wir überhaupt einsteigen konnten, gab es zunächst Chaos an der Haltestelle des Schienenersatzverkehrs. Zur Abfahrtszeit stand ein Fahrzeug an der Haltestelle, das aber die Türen nicht öffnete und die Haltestelle wieder verließ. Ein zweites Fahrzeug kam zur Haltestelle, Leute stiegen aus, und auch dieses verließ die Haltestelle wieder, ohne dass jemand einsteigen konnte. Mein Kind jammerte und sprach das aus, was sich vielleicht viele Leute dachten: „Mama, warum steigen wir nicht ein? Mama, wann kommt denn jetzt der richtige Bus?“. „Ich weiß es nicht“, – eine Antwort mit vielen Wiederholungen auf dieser Reise.

Immer wieder stiegen auch Fahrer*innen und weiteres Personal aus, aber niemand hielt es für nötig, mit den Wartenden zu kommunizieren, die sich gut sichtbar immer wieder aufstellten, wenn die Fahrzeuge anhielten. Schließlich hatte jeder auch ein wenig Angst, keinen Sitzplatz zu bekommen. Das dritte Fahrzeug brachte uns dann mit Verspätung und Stau (ohne Zwischendurch-Information für die Fahrgäste) nach Murnau, wo der Anschlusszug bereits weg war. Aber immerhin so verspätet, dass bis nächsten Abfahrt nur noch 30 Minuten verblieben.

Und der Rucksack fuhr nach Hamburg

Die Rückfahrt von München nach Dresden am Dienstag verlief zwar mit kleineren Verspätungen fast nach Fahrplan, aber diesmal machte ich es selber zum Erlebnis. Ich vergaß in Leipzig den Rucksack im Zug. Ich merkte es zwar schnell (deutlich weiter vorne am Bahnsteig) und konnte nochmal in den Zug springen, hatte mir aber in der Hektik die falsche Wagennummer gemerkt und fand den Rucksack so nicht. Dieser machte sich dann auf den Weg nach Hamburg, inklusive Handys, Pässen, Tickets und Geld.

An einem Infopunkt des Leipziger Hauptbahnhofs traf ich glücklicherweise auf eine sehr engagierte Frau, die schnell dem Zugpersonal hinterher telefonierte. Dieses fand mit der korrekten Wagennummer meinen Rucksack und ein Zugbegleiter erklärte sich bereit, mir diesen am frühen Abend nach Dresden zu bringen. Auch begleitete sie mich und mein Kind zu einem anderen Zug nach Dresden und bat den Zugbegleiter, zu entscheiden, ob er mich und mein Kind (ohne Dokumente) mitnehmen würde. Das klappte Gott sei Dank problemlos, Kleinkinder sind hier vermutlich ein Bonus.

Professionalität statt Charakterfrage

Für uns beide, mich und mein Kind, waren es erlebnisreiche Tage mit vielfältigem Erkenntnisgewinn:

Bis Bahnfahren wirklich zu einer akzeptablen Mobilität im Sinne des Klimaschutzes für alle wird, gibt es, teilweise im wahrsten Sinne des Wortes, noch sehr viele Baustellen.

Bahnreisen mit Kleinkind erfordern viel Planung, beginnend beim Gepäck, und Nerven.

Und: Ich habe viel Verständnis für Zugausfälle, Streckensperrungen oder Personalausfälle. Nicht aber für mangelnde Kommunikation, den Fahrgästen mitzuteilen, was Phase ist und ihnen damit zumindest ein bisschen Rat- und Hilflosigkeit zu nehmen. Dies könnte am Ende schnell und auch ohne allzu großen finanziellen Aufwand (im Vergleich zu Großbaustellen) geändert werden. Entscheidend ist hier vermutlich nicht so sehr das Personal der deutschen Bahn, sondern das der vielen anderen Verkehrsunternehmen und Subunternehmen. Einfühlsamkeit für die Fahrgäste und Information sollten nicht eine Frage des Charakters – schließlich hatten wir ja auch sehr positive Erfahrungen mit dem Personal – sondern der Professionalität sein. Gleich mal ein Anliegen für den VDV?

Die Liebe zum Bahnfahren bleibt

Doch trotz allem auf dieser Reise kann ich klar sagen: Ich fahre noch immer lieber Bahn (und Bus) als Auto. Eine Zukunft mit viel Bahn, Bus, ÖPNV, mehr Strecken und Personal könnte schön sein, davon bin ich überzeugt. Ein Ziel, für dass es sich einzusetzen lohnt. Und mein Versprechen hat der Zugbegleiter der Strecke München – Murnau: ja, ich werde mich an den Verkehrsminister wenden, sobald ich persönlich Gelegenheit erhalte. E-Mails oder Briefe von Bahnfahrgästen wird er vermutlich schon lange nicht mehr lesen.

Mit klimafreundlichen Grüßen

lhs

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert