Am Freitag morgen blockierten 13 Klima-Aktivist*innen viermal jeweils für sieben Minuten Kfz-Fahrspuren am Straßburger Platz in Dresden. Es ist bereits die fünfte Aktion dieser Art in der Stadt. Im Gegensatz zu früheren Aktionen, bei denen dreimal die gleiche Spur blockiert wurde mit jeweils sieben Minuten Pause, wanderte die Blockade diesmal ohne größere Pause ringsum um die Kreuzung. Die Aktion verlief ingesamt ruhig, bis auf vereinzelte aufgebrachte Reaktionen von Autofahrer*innen und Passant*innen. Nach 45 Minuten endete die Aktion und die Aktivist*innen traten den Heimweg an.

Was wollen die Blockierenden erreichen? Empfinden sie das Blockieren als erfolgreich? Wie stehen sie zu den betroffenen Autofahrer*innen? Und wie lange wollen die Aktivist*innen noch mit den Aktionen weitermachen?

Unter dem Artikel sind Impressionen der Blockade und Stimmen der Teilnehmenden zu finden.

Bevor es allerdings um die inhaltlichen Forderungen geht, ist es wichtig, die Blockadeaktion richtig einzuordnen. Die beiden Gesichter hinter der Aktion, Iris Kämper und Christian Bläul, sind vor allem auch bei der Letzten Generation aktiv, angezeigt bei der Versammlungsbehörde wurde diese Aktion aber als bzw. von Extinction Rebellion.

Es fand kein ziviler Ungehorsam, beispielsweise durch Festkleben statt. Polizist*innen stellten die Durchführung sicher – inklusive Information und Beschwichtigung der Autofahrer*innen. Die kurzen Blockadezeiten mit dem anschließendem Abfließen des Verkehrs waren dabei Bedingung dafür, dass keine Umleitung eingerichtet wurde – und so eine direkte Konfrontation mit den Autofahrer*innen stattfand. Radfahrer*innen und Straßenbahnen hingegen konnten passieren.

„Wir wählen dieses Aktionsformat, weil erlaubte Aktionen für die Teilnehmer nicht so ein großer psychischer Stress sind und keine Bußgelder oder Gefangennahmen drohen“, erläutert Kämper den Unterschied zu den Aktionen der Letzten Generation. So könnten sich Menschen aus anderen Initiativen besser anschließen und auch der Stress für die Autofahrer*innen sei mit den Kurzblockaden geringer gehalten.

Die fossile Sucht beenden

Inhaltlich bezeichnen die Aktivist*innen ihre Aktion als einen „Protest gegen die fossile Sucht“ und fordern einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Dämmung von Häusern, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und die Streichung fossiler Subventionen. Als Rückhalt für Politiker*innen, die sich z. B. für die Streichung fossiler Subventionen einsetzten, brauche es auch den Protest auf der Straße. „Durch die Straßenblockaden kommt das Thema Klimakatastrophe immer wieder in die Öffentlichkeit. Es wird vielleicht auch geschimpft, aber es kann nicht so leicht auf die Seite geschoben werden“, erklärt Bläul.

Ungewissheit begleitet die Blockaden

Bläul ist optimistisch, dass politische Veränderungen machbar sind. Trotzdem gibt er auch Unsicherheit in seinem Vorgehen zu. „Natürlich weiß ich nicht, welche Aktionsformen wirklich effektiv sind. Mir ist es ganz wichtig, verschiedene Formate auszuprobieren und da gehören unsere friedlichen Straßenblockaden auf jeden Fall dazu. Ob sie wirklich ausschlaggebend sind, kann man auch erst viel später erfahren – oder nie.“

Klar sei für ihn, dass Politiker*innen ihre Ohren an den Medien hätten. Hier habe ihn die Fülle der Medienberichte überrascht, und wie „fair“ viele davon gewesen seien.

Aber seine Motivation liegt auch auf einer anderen Ebene: „Ich möchte den Menschen in Dresden eine Möglichkeit anbieten, ihre Sorgen zum Thema Klima zu zeigen und auf die Straße zu bringen.“ Diese würde auch immer wieder angenommen, der frühen Tageszeit zum Trotz.

Kämper ergänzt, dass auch sie Straßenblockaden nicht als das Allheilmittel der Klimakrise ansieht: „Ich sehe uns da auch nicht alleine, sondern in der großen Zusammenarbeit mit allen anderen Klimainitiativen, die auf andere Weise vorgehen. Ich denke, im Konzert werden wir etwas bewirken. Irgendeiner muss ja beim Konzert auf die Pauke hauen. Wir gehen auf die Straße und blockieren für ein paar Minuten den Verkehr, anstatt hilflos zu Hause zu sitzen, und drücken damit aus: Das ist für uns nicht in Ordnung, was hier im Staat passiert.“

Ob es etwas bewirke, sei für sie von so vielen Dingen abhängig und darüber wage sie nicht zu spekulieren.

Risiken und Nebenwirkungen von Blockaden

Auf die Frage, ob die Aktionsform, mit teilweise auch negativer Berichterstattung und dem Ärger einiger Leute dem Thema Klimaschutz auch schaden könne, sagte Bläul: „Der größte Schaden wäre es, nicht alles zu versuchen. Es gibt auch Aktionsformen, die ich nicht gut heiße. Diese hier gehört nicht dazu. Natürlich gibt es auch Teile der Bevölkerung, die allgemein unzufrieden sind, und solche Gelegenheiten nutzen, um dies dann auf die Klimaschützer*innen projezieren und sagen: So, jetzt fahre ich extra mit dem Diesel ums Haus.“ Ob sie es dann aber wirklich täten, sieht Bläul als fraglich an.

Autofahrer*innen als Mittel zum Zweck

Während der Blockade bekamen die Autofahrer*innen Bonbons und einen Flyer ausgehändigt, in dem die Aktivist*innen Verständnis äußern, dass es für diese unangenehm sei, warten zu müssen. „Wir erklären aber, dass wir auch warten, nämlich darauf, dass endlich politische Maßnahmen ergriffen werden, die so ewig lange schon rausgeschoben werden“, betont Kämper. Ziel sei es nicht, die Autofahrer*innen zu ärgern und es sei nichts Persönliches. Trotzdem, fügte Kämper hinzu, könne sich jeder entscheiden, wie er auf Arbeit käme. Es gäbe schließlich Menschen, die nicht genug Geld hätten für ein Auto, und diese würden es ja auch schaffen.

Die Reaktionen der Autofahrer*innen seien bunt gemischt gewesen, erzählten die Flyernden. Manche hätten die Scheiben oben gelassen und damit keine Redebereitschaft signalisiert. Viele seien gestresst gewesen zum Morgen, aber hier habe die Ansage mit den sieben Minuten geholfen. Andere signalisierten mit einem Danke und einem Lächeln auch Zustimmung. Eine Autofahrerin freute sich über „die Ausrede, zu spät kommen zu können“, ein anderer klagte über drohende Minusstunden.

Blockieren bis ans Ende aller Tage?

Zur Perspektive der Blockaden erklärt Kämper: „Die Blockaden sind organisationsmäßig nicht so aufwendig. Wir können sie so lange machen, bis die Politik endlich reagiert, vorher können wir nicht aufhören. Eine größere Eskalation ist in diesem Format nicht vorgesehen.“

Auch Bläul betont, dass sich diese Form der Blockade gut ins Arbeitsleben integrieren ließe – ohne die Gefahr, festgehalten zu werden. Aufhören würde er dann, wenn mehrere Male hintereinander keine Menschen kommen. „Es ist ja ein Angebot an die Dresdner*innen, und wenn das nicht mehr wahrgenommen wird, dann hätte es für mich keinen Sinn, es weiter zu organisieren.“

Bericht von lhs

Ein Kommentar zu “4 Mal 7 Minuten Stören fürs Klima

  1. Nachtrag der Autorin: Ich habe vier der Dresdner fünf „friedlichen Kurz-Blockaden“ – mir fällt es immer noch schwer, die Worte „friedlich“ und „Blockaden“ zusammenzudenken – miterlebt und fotografisch begleitet. Obwohl ich anfangs sehr kritisch war, muss ich sagen, dass von dem, was da auf der Straße passiert, und den Bildern, die entstehen, eine große Faszination ausgeht. Für einen Moment wird der tägliche Fluss unterbrochen, das Geschehen ausgebremst und der Platz wird (auch) zu einem Diskussionsforum. Meistens gibt es ein bis zwei Menschen, die versuchen mit ihren Aggressionen einen Streit anzuzetteln. Es gibt auch Leute, die einfach nur stehen bleiben, zusehen oder filmen. Und es ist auch schon vorgekommen, dass sich der ein oder andere dazugesetzt hat. Viele wollen auch darüber reden, sowohl über das Thema Klima, als auch über den Aktivismus. Manchmal gibt es auch einen Daumen nach oben, gerade von Radfahrern und Fußgängern. Nach der Aktion setzte ich mich in ein Café im Einkaufszentrum, um den Beitrag fertig zu machen und kurz später gesellte sich eine Gruppe an den Nebentisch: „Habt ihr das mit Blockade mitbekommen?“, „So ein Scheiß!“, „Was ist eigentlich ein Streckbetrieb?“ und „Was sollte denn das 1,5 bedeuten? Oder war es eine 15?“, „So ein Quatsch, wir haben 9 Grad.“. Es war herrlich. Und die Medienpräsenz war natürlich wieder groß bei der Aktion, sogar einer der Journalisten wollte den Aktivist*innen am Ende seine Gedanken mitteilen. Und auch für die Aktivist*innen ist die Aktion ein kurzer Ausbruch aus dem Alltag. Sätze wie „Geht arbeiten!“ nehmen sie dabei sportlich. Schließlich tun einige das nach der Aktion ja auch. Auch das Verhältnis mit der Polizei war sehr freundlich heute. Gleich zu Beginn waren sie erpicht, die Aktivist*innen auf ein E-Fahrzeug hinzuweisen und darauf, dass sie bei Bedarf filmen würden zur Sicherheit der Aktivist*innen. Ob es wirklich nur die Freude darüber ist, niemanden vom Boden ablösen zu müssen, oder ob der ein oder andere vielleicht sogar mit dem Thema sympathisiert, wäre dabei aber Spekulation. Es bleibt abzuwarten, ob die Faszination bestehen bleibt. Zwei weitere Blockade-Termine sind bereits mit der Versammlungsbehörde vereinbart. /lhs

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