Am 16. März hatten der Klimabuchmesse e. V. und die VEE Sachsen e. V. Psychologin Katharina van Bronswijk und Blogger Jan Hegenberg alias „Der Graslutscher“ nach Leipzig eingeladen. Zuerst lasen die beiden aus ihren Büchern („Klima im Kopf“, Katharina, und „Weltuntergang fällt aus“, Jan), im Anschluss folgte eine Diskussion mit Einbezug des Publikums.

Katharina begann mit dem Einstieg, dass Menschen emotionale Wesen sind und Handlungen von Emotionen geleitet werden. Die Werbeindustrie nutzt und beweist diese Tatsache täglich. Katharina machte daher klar, dass es einen viel größeren Fokus auf unsere Emotionen braucht, weil sie eine so große Rolle spielen – und wir Menschen andererseits so schlecht darin sind, mit ihnen umzugehen.

Dazu gehört auch die Akzeptanz von unangenehmen Gefühlen und, dass wir nicht immer glücklich sein können. Gerade der gesellschaftlich verbreitete Druck, immer glücklich sein zu müssen, behindert einen guten Umgang mit negativen Gefühlen. Dabei haben diese eine wichtige Funktion, weil auch sie aktivieren und die Menschen in Krisen zum Handeln bringen. In diesem Sinne versteht Katharina auch Greta Thunbergs wohlbekanntes „I want you to panic“ nicht als Aufforderung zu kopflosem, aufgeregtem Umher-Rennen – sondern mehr als Aufruf, Emotionen in der Klimakrise zuzulassen und anzuerkennen.

Weiter beschrieb Katharina die Problematik unserer globalisierten, individualisierten Gesellschaft. Diese sorgt mit weniger traditionellen Rollen für Verunsicherung, welche wiederum über gesellschaftliche Akzeptanz kompensiert werden muss. Diese Akzeptanz streben wir über Leistung und Konsum an. Der Fokus, was wir wirklich brauchen und was uns glücklich macht, z. B. Freundschaften, ist verloren gegangen. Auch ist ein Wettbewerb entstanden, in dem viele Menschen nicht mithalten können. Und genauso schädlich, wie es für den Menschen ist, sich an unser wirtschaftliches System anzupassen – so schädlich ist es auch für unseren Planeten, eine „Ressourcenverbrauchsmaschienerie“ ist entstanden.

Als Lösung für die Multikrisen unserer Zeit braucht es unter anderem mehr kollektive Widerstandsfähigkeit, meinte Katharina, einen realistischen Optimismus und das Prinzip „beyond hope“. Beyond hope, also „über die Hoffnung hinaus“, deshalb, weil wir uns nicht mehr darauf verlassen, darauf hoffen dürfen, dass Andere Lösungen und Erfolge herbeiführen. Stattdessen stellt „beyond hope“ die Frage in den Mittelpunkt: Wer möchte man selbst sein oder gewesen sein, in der Zeit, die einem gegeben ist? Unabhängig davon, ob am Ende bestimmte Ziele erreicht werden oder z. B. die 1,5-Grad-Grenze eingehalten wird.

Dabei geht es nicht nur darum, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern – was innerhalb des Systems sowieso an Grenzen stößt, sondern auch den „Handabdruck“ zu vergrößern. Gemeint ist z. B. politisches Engagement. Dazu brauche es Träume, Lösungsgeschichten und Annäherungsziele, nicht nur Vermeidungsziele, führte Katharina aus. Ein Handeln rein nach Vermeidungszielen sei so, als würde man in ein Taxi steigen und sagen: „Bitte fahren Sie mich nicht zum Hauptbahnhof“ – es führt nirgendwo hin.

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Wie eine passgenaue Anknüpfung an Katharinas Ende, referierte Jan seine Lösungsgeschichte über die Energiewende. Diese ist für ihn der Dreh- und Angelpunkt der Klimakrise, denn rund drei Viertel aller Emissionen kommen sektorübergreifend aus der Energiewirtschaft.

Eine Rechnung, warum der Anstieg des Energiehungers in den letzten hundert Jahre zum Problem geworden ist, führte er so auf: „Falls das nächste mal jemand fragen sollte, wie wir kleinen Menschen in so kurzer Zeit das Klima des ganzen Planeten beeinflussen sollen, wäre eine Antwort: Wir verbrauchen gerade in so kurzer Zeit Energievorräte, für deren Einlagerung der Planet das Sonnenlicht von 60 Millionen Sonnenumrundungen genutzt hat.“

Dem setzte er zunächst das Hoffnungsvolle entgegen. Denn die große Frage ist ja nun, ob wir uns wirklich mit erneuerbaren Energien versorgen können. Die Antwort lautet für ihn ja. Das menschliche Problem ist für ihn der Mangel an Vertrauen in den Erfindungsgeist und das Argumentieren ohne konkrete Rechnungen.

Mit klaren Zahlen lässt sich belegen, dass die Energiewende längst zum Selbstläufer geworden ist. Die erneuerbaren Energien wachsen weltweit exponentiell an. Effizienzsteigerung und sinkende Preise überzeugen längst ökonomisch. Es ist hier gar nicht mehr nötig, dass alle Menschen begreifen, dass wir die Welt retten müssen – so wünschenswert das auch wäre.

Danach aber folgte der „Downer“, weshalb wir eben nicht mit einem Cocktail in der Hand im Liegestuhl der Welt beim klimaneutral werden zusehen können. Da ist zum einen das Problem mit der zeitlichen Dringlichkeit – zum anderen sind da noch die Bereiche wie z. B. Heizen, Fliegen und Schiffsverkehr, die zwar technisch dekarbonisiert werden können, bei denen dies aber schwieriger wirtschaftlich darzustellen ist.

Dabei werden diese Dinge nicht jetzt teuer, weil sie klimaneutral gemacht werden sollen. Sie sind eigentlich schon immer teuer gewesen – wenn man die Folgekosten berücksichtigt. Nur wurden und werden diese vergesellschaftet und auf künftige Generationen abgewälzt. Und nun ist es z. B. beim Fliegen ein „first world problem“, dass wir es als ungerecht empfinden, individuell wahre Preise zahlen zu müssen. Und dass wir glauben, nicht mehr glücklich sein zu können, wenn wir uns diese Dinge dann nicht mehr in großen Mengen leisten können.

Jans Botschaft blieb im Großen und Ganzen dennoch immer klar: Es ist nicht einfach, aber möglich.

Am Ende gab uns Jan noch einen Ausblick auf einen Tag im Jahr 2040. Dieser ist nach Jans Vision gar nicht mit so vielen Veränderungen im Alltag verbunden. Eine der wichtigsten Lösungen, die er hier anschaulich darstellte, ist, dass sich unser Energieverbrauch flexibel an die erneuerbaren Energien angepasst hat. Gibt es viel Sonne und Wind, ist regional der Strompreis niedrig und es wird viel verbraucht, produziert und die Energiespeicher gefüllt. Engpässe gibt es nicht, denn Schwankungen werden auch durch überregionale Netze problemlos ausgeglichen.

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In der abschließenden Diskussion drückte ein Publikumsbeitrag aus, wie schwierig und mühsam es sei, andere Menschen in einer Gruppe vom gemeinsamen Handeln für den Klimaschutz zu überzeugen. Katharina gab dazu den Rat, dass jeder individuell und auf Augenhöhe abgeholt werden muss. Es geht darum zu wissen, was die Sorgen, die Ängste und vor allem auch die Werte sind – und dann darauf Bezug zu nehmen. Werte sind dabei sehr individuell, z. B. Gerechtigkeit, Naturschutz, Heimatschutz, Sicherheit oder wirtschaftliche Stabilität.

Die wichtigste Lösung zum Umgang mit Klimagefühlen ist die Selbstwirksamkeit, führte Katharina am Ende der Veranstaltung aus. Gemeint ist, erleben zu können, dass das eigene Handeln sichtbar wird und einen Effekt hat. Und die Steigerung davon ist dann die kollektive Selbstwirksamkeit, die wir z. B. beim Aktivismus erleben. Deswegen ist Aktivismus auch so wichtig.

Auf dem YouTube Kanal der VEE Sachsen e. V. kann die ganze Veranstaltung in der Aufzeichnung des Streams angesehen werden.

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Text: Louise Hummel-Schröter

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