Lützerath, ich komme

Blog von lhs

In eineinhalb Tagen ist es endlich so weit und ich fahre nach Lützerath. Obwohl ich körperlich nicht in der besten Verfassung bin, nehme ich den weiten Weg auf mich, weil mir die Demo dort so wichtig ist.

Einerseits geht von dem Protestgeschehen um Lützerath so eine Energie, so eine Entschlossenheit und vor allem so ein bewegendes Zusammenstehen der ganzen Klimabewegung aus, andererseits schmerzt die Bedrängnis, in der sich viele Aktive von den Grünen befinden, die sich seit so vielen Jahren hart für den Klimaschutz einsetzen. Manchmal muss das aber sein.

Ich bin kein Freund von zivilem Ungehorsam und habe z. B. die Aktionen der Letzten Generation schon häufig kritisiert, aber bei dem (friedlichen!) zivilen Widerstand in Lützerath kann ich sagen, dass er genau am richtigen Ort ist, genau die richtigen Akteure trifft und auf das richtige Problem hinweist!

Neben der enormen Menge an Kohle, die unter Lützerath liegt, bewegt mich vor allem der zugrundliegende Deal zwischen Bund, NRW und RWE. Im „Hinterzimmer“ ohne öffentliche Beteiligung wurde ausgehandelt und festgeschrieben (!), dass Deutschland das Pariser Klimaabkommen bricht, sich gegen das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts richtet und in den nächsten Jahren die Klimaziele verfehlt. Für einen Kohleausstieg 2030 in NRW, der laut einiger Experten keine Tonne CO2 einspart. Zumindestens nicht bis 2030, einem Zeitraum, der für das Klimasystem mit seinen den Kipppunkten so wichtig ist.

Vor allem aber steht das Vorgehen, wie dieser Deal entstanden ist, für Fehler im politischen System, das mein Verständnis von Demokratie zu einer Farce werden lässt und die massive Klimazerstörung ermöglicht. Der Konzern RWE und unsere Abhängigkeit von seinen zerstörerischen Geschäftsmodellen hat uns überhaupt erst (natürlich neben anderen Akteuren) in die Klimakrise gebracht. Nun konnte sich RWE in den Deal viele Vorteile reinschreiben, auch weitere neben der Kohleförderung, um diese genau diese Machtposition zu erhalten.

Mich macht vieles traurig an der Situation und den Bildern, die ich über die sozialen Medien sehen muss. Die Situation, dass wir es als Klimabewegung offensichtlich nicht schaffen können, uns von einzelnen gewaltbereiten Menschen frei zu halten. Dass wir nicht die Zeit haben, die einzelnen Experteneinschätzungen in Ruhe zu diskutieren und sachlich gegeneinander zu stellen[*]. Dass so viele Situationen von gefährlichem Polizeiverhalten in den sozialen Medien auftauchen, aber kaum in den Medien. Und, wie es bestimmt viele andere auch belastet, dass immer wieder die kleinen Rechtsbrüche der Aktivist*innen von den Medien betont werden, aber die zugrundeliegenden gewaltigen Brüche der Politiker*innen unseres geltenden Rechts auf Schutz des Klimas kaum.

Es braucht einen Stopp der Räumung Lützeraths oder ein Räumungsmoratorium, eine sachlich-politische und wissenschaftliche Aufarbeitung des Deals – und vor allem eine demokratische, dezentrale Energiewende!

Ich freue mich auf die Demo, obwohl es gleichzeitig auch belastende Tage sind. Das Thema ist an vielen Stellen für mich noch undurchsichtig – und trotzdem für den Klimaschutz in Deutschland so zentral. Vielleicht ist es genau diese Mischung, die dafür sorgt, dass mir noch nie eine Demo wichtiger war.

Und alleine die Anzahl der Menschen aus Dresden, die sich mit mir auf den weiten Weg macht, zeigt mir, dass es sehr vielen Menschen genauso geht. Und das wiederum ist überhaupt das allerwichtigste Wissen und Gefühl im Klimaengagement!

Mit klimafreundlichen Grüßen

lhs

[*Genau hier wäre ich z. B. auch über eine Einordnung der Grünen in Sachsen dankbar gewesen, aber anscheinend gab es dazu ja einen Konsens, sich nicht zu äußern.]

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