Von lhs

Am Nachmittag des 8. Dezember blockierten Aktivist*innen der Letzten Generation die Nürnberger Straße nahe der TU Dresden. Bericht und Kommentar.

Bericht der Blockade/Fotostrecke

(nicht von allen Ereignissen Fotos verfügbar)

Gegen 14:40 Uhr treffen erste Vertreter*innen der Letzten Generation am Hörsaalzentrum am Fritz-Förster-Platz ein. Kurz darauf ist auch eine große Menge an Pressevertreter*innen da. Christian Bläul, das wohl bekannteste Gesicht der Letzten Generation in Dresden, gibt erste Interviews im Minutentakt.

Auf die Anmerkung [Autorin des Beitrags/Zuschauerin], dass es einfach logisch sei, dass die Aktivist*innen tun, was sie tun, weil sie so viel Aufmerksamkeit bekommen, antwortet das MDR-Sachsenspiegel-Team, dass ja alle darüber berichten würden und sie das deswegen auch tun müssten. Darauf, dass das frustrierend sei für andere Aktionen ohne zivilen Ungehorsam, fragten sie nur, ob man diese denn auch mitteilen würde.
Bläul bewegt sich Richtung Nürnberger Straße, begleitet von einer großen Traube an Medienvertreter*innen. Polizei ist keine da, alle haben dicht gehalten. Zu wichtig sind die Bilder, die jeder bekommen will.
Als sich die Aktivist*innen schließlich auf die Straße begeben und sich noch nicht festgeklebt haben, versucht eine Frau noch langsam durchzufahren. Sie wird durch Aktivist*innen (und inzwischen eingetroffene Polizist*innen) gestoppt, die sich gegen die Motorhaube stemmen. Eine Aktivistin legt ihre Tasche vor das Vorderrad des Autos.
Als die Aktivist*innen schließlich auf der Straße sitzen, ertönt eine Sirene von einem Rettungswagen. Schnell bilden die – noch nicht festgeklebten – Aktivist*innen eine Rettungsgasse. Als das die vorderen Autofahrer*innen mitbekommen, brettern einige vor dem Rettungswagen mit hoher Geschwindigkeit nahe den Aktivist*innen durch. Der Rettungswagen kann passieren.
Schließlich kleben sich mindestens vier Aktivist*innen an der Straße fest.
Auszug aus der Pressemitteilung:
Auch Lars Ritter, 19 (links), geht am Donnerstag wieder auf die Straße und sagt: „Ich wollte ein Jahr lang im Ausland leben, aber wegen der Ergebnisse der Klimaforschung erlaube ich mir das nicht. Protest für mehr Klimaschutz ist jetzt das moralisch Richtige für mich. Ich wünsche mir mehr Bürgerbeteiligung und eine demokratische Klimawende von der Politik“.
Der Physiker Christian Bläul, 40 (rechts), ergänzt: „Ich war bereits für friedliche Straßenblockaden im Gefängnis und rechne damit, dass ich wieder gehen werde. Das schmerzt, weil ich sehr gern Zeit mit meinen Kindern verbringe. Die aktuell zu zaghafte Klimaschutz-Politik lässt uns auf weitere Hungersnöte und Kriege zusteuern. Gefängnis tut mir weniger weh. Wenn wir jetzt entschieden handeln, können wir das Auslösen weiterer Kipppunkte wahrscheinlich verhindern.“
Die Wutwelle der Autofahrer*innen beginnt. Einige steigen aus, fangen an zu diskutieren und auch die Aktivist*innen anzugehen. Einer von ihnen macht sich Fotos der Gesichter der Aktivist*innen. Diese sitzen stoisch auf der Straße und lassen alles über sich ergehen. Die Presse macht eifrig Bilder und Interviews.
Inzwischen sind viele Polizist*innen vor Ort (hinter der Blockade). Die Aktivist*innen geben ihre Personalien ab.
Währenddessen hat die Gruppe „end fossil occupy“ eine Spontanversammlung auf dem Gehweg angemeldet. Immer mehr Menschen, zu Beginn etwa 20, versammeln sich auf dem Gehweg neben der Blockade. Es wird Musik gespielt, Sprechchöre der Solidarität mit den Aktivist*innen auf der Straße ertönen. Je länger die Blockade andauert, umso mehr Menschen versammeln sich, darunter auch Leute der Universität, aus anderen Klimainitiativen und Passant*innen. Ein Aktivist wirbt für die Rekrutierungsvorträge der Letzten Generation.
Inzwischen dauert die Aktion an. Immer mehr Einsatzfahrzeuge, auch der Feuerwehr, treffen ein. Ein Kiste wird gebracht, ein paar Polizist*innen ziehen Handschuhe an, doch weiterhin werden die Aktivist*innen nicht abgelöst. Fast eine Stunde kleben die Aktivist*innen bereits auf der Straße. Inzwischen konnte der Stau aufgelöst werden und auch die Autofahrer*innen direkt vor der Blockade konnten umgeleitet werden.
Die Mutter eines Aktivisten der Letzten Generation, deren Sohn hier nicht anwesend war, die sich aber die Aktion ansah, sprach schließlich die Polizei an, warum die Aktivist*innen nicht schon längst abgelöst wären. Die Polizei antwortete, dass die Ablösung wohl genauestens dokumentiert werden müsste und man auf die Kameras warte (?).
Nach über einer Stunde wurde dann zunächst bei einer Aktivistin mit der Ablösung begonnen, später dann mit der parallelen Ablösung der anderen drei klebenden Aktivist*innen. Es wurde niemand durch die Polizei in Gewahrsam genommen.

Der mediale Output

Hier nun eine Übersicht, was die Aktion medial gebracht hat. Häufig wird – sogar von den Aktivist*innen selbst – gefordert, dass mehr über die Inhalte gesprochen werden müsse, deswegen hier der Bezug auf Inhalte.

Der wohl beste Artikel aus Sicht der Aktivist*innen ist dieser hier:
Tag24: https://www.tag24.de/dresden/strassenblockade-in-dresden-mitglieder-der-letzten-generation-kleben-sich-vor-der-tu-fest-2684319
Immerhin 16.404 Views, Stand 12.12.

MDR Sachsen: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/dresden-radebeul/letzte-generation-protest-uni-100.html
– Keine Inhalte –

2. Artikel Tag24: https://www.tag24.de/dresden/4-5-klima-kleber-wollen-diesmal-bonbons-verteilen-2685789
„Die Forderung der Umweltschützer: mehr Druck beim Klimaschutz, Rückkehr zum 9-Euro-Ticket, Tempolimit.“ 14.404 Views, Stand 12.12.

Sächsische Zeitung: https://www.saechsische.de/dresden/klimademonstranten-kleben-sich-auf-dresdner-strasse-fest-5792022-plus.html
– Keine Inhalte direkt von der Letzten Generation –

DPA: https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/anhaenger-der-letzten-generation-blockieren-verkehr-artikel12594550
– Keine Inhalte –

DNN: (folgt, hat einen Artikel, aber die Paywall verursacht trotz Abo immer wieder starke Probleme)

BILD: https://www.bild.de/regional/dresden/dresden-aktuell/dresden-stau-zum-feierabend-polizei-schleift-klima-kleber-von-strasse-82194812.bild.html
– Keine Inhalte –

Disclaimer: Gegebenenfalls gab es am Donnerstag noch Beiträge und Artikel, z. B. im Hörfunk oder Videos, die jetzt im Internet nicht (mehr) verfügbar sind.


Kommentar der Autorin

[Dies hier gibt nur meine persönlichen Eindrücke wieder – keine Objektivität.]

Ich habe schon über die Letzte Generation gesprochen und geschrieben, aber mir nun das erste Mal eine Aktion live angesehen. Zwei Aspekte der Eindrücke bleiben dabei besonders hängen.

Massive mediale Präsenz

Eines muss ich festhalten: Die reine Quantität (!) an Medienpräsenz war für jemanden, der selber in den letzten zwei Jahren Pressearbeit gemacht hat, sehr beeindruckend. Aber nicht unbedingt positiv. Ich muss ehrlich zugeben, dass es für mich – mit meinem aktuellen Entschluss, mich nicht an zivilem Ungehorsam zu beteiligen – Frust und Resignation ausgelöst hat, obwohl ich Leute der Letzten Generation kenne und schätze (!).

Rein die Quantität betrachtet, setzt die Letzte Generation aktuell mediale Standards, die für andere Initiativen schier unerreichbar erscheinen! Und das mit scheinbar geringem organisatorischen und personellen Aufwand. Es hinterlässt die bohrenden Fragen: Wann werden wir so etwas jemals wieder auf legalem Wege erleben? Machen Aktionen ohne zivilen Ungehorsam überhaupt noch irgendeinen Sinn?

Dies sollte aber auch eine Frage an die Gesellschaft sein: Wann wird „legaler“ Klimaprotest endlich wieder größere gesellschaftliche Unterstützung in Form von Beteiligung erhalten?

Agressive Stimmung

Es wird immer wieder seitens der Letzten Generation und den Unterstützer*innen betont, die Aktionen der Letzten Generation seien friedlich. Der Gesamteindruck, die Stimmung, die ich hier wahrgenommen habe, war aber nicht friedlich, sondern aufgeheizt und aggressiv. Zwei Fronten, die sich unversöhnlich gegenüberstehen, dahinter jede Menge Polizei in dunkler Montur. Die Autofahrer*innen waren nicht friedlich – und die (für Klimaproteste gewöhnlichen) Sprechchöre sowie Demorufe der Protestierenden der Spontanversammlung hatten in dieser Situation teilweise auch eine nicht zu leugnende aggressive Wirkung auf mich.

Generell habe ich mich gefragt: Ist das wirklich das Bild, das wir in 2022 haben sollten, das uns weiterhilft? Oder sollten wir Bilder haben, wo Menschen gemeinschaftlich, zusammen Klimaschutz einfordern? Miteinander statt gegeneinander? Ist das nicht das nicht auch, was die Werte Demokratie und Nachhaltigkeit einfordern? Wann wird dieses Bild kommen und wer wird sich dafür einsetzen, wenn es die Letzte Generation, die gefühlt einzige Initiative mit aktuell größerem Zulauf, nicht tun wird?

Ich persönlich gehe nach so einer Woche (ich habe am Tag danach noch die Aktion von Extinction Rebellion am Straßburger Platz begleitet) mit dem Gefühl raus – ich hoffe, man verzeiht mir die ehrlichen Worte – dass ich wenig Lust und Kraft mehr auf Klima-Aktivismus verspüre. Vielleicht bin ich persönlich zu harmoniebedürftig für den aktuellen Klimaprotest. Grundsätzlich habe ich dies bisher in Aktionen, wo sich z. B. Aktivist*innen und Kraftwerksbetreiber „gegenüberstanden“ nicht so empfunden. Auch sehe ich in dem, was dabei rumkommt, einfach zu wenig Beitrag zur Lösung und zu den hochkomplexen inhaltlichen Fragen, die es zu klären gilt.

Aber nein, wie ich mich kenne, werde ich nicht aufgeben. Kommt Zeit, kommt Rat, kommen Ideen, kommt Kraft … hoffe ich.

Und ich hoffe auch weiterhin von Herzen, dass die unterschiedlichen Eindrücke zur Letzten Generation die Klimabewegung nicht zu sehr spalten und hoffe auf Toleranz, dass ich meine persönlichen Eindrücke auch teile. Ich fühle mich ziemlich zerrissen, zumal ich einige der Aktivist*innen sowie der Unterstützer*innen sehr schätze und eigentlich auch auf gemeinsamen Aktionen sein möchte.

Mit klimafreundlichen Grüßen
lhs

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